Beckenbodentraining – Bei vielen Menschen kommt hier sicherlich erstmal der Gedanke auf „Das ist doch nur etwas für ältere Menschen und Schwangere“.

Das stimmt so jedoch nicht ganz. In unserer Praxis für Physiotherapie und Osteopathie behandeln wir zwar auch Menschen in diesem Spektrum, jedoch finden sich auch andere Probleme wieder. Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen einen Überblick geben, für was der Beckenboden in unserem Alltag wichtig ist und bei welchen Problemen Sie einen Physiotherapeuten aufsuchen können.

Für einen nicht sichtbaren sowie spürbaren Muskel besitzt der Beckenboden viele Aufgaben. Dazu gehören beispielsweise die Schließmuskelfunktion für Blase und Darm sowie der Schutz vor dem Absinken der inneren Organe. Zudem sorgt er für mehr Stabilität beim Stehen und Sitzen.  Auch bei der Sexualität spielt der Beckenboden eine große Rolle, beispielsweise bei der Empfindsamkeit.

Aufbau der Beckenbodenmuskulatur

Um die Funktion und Bedeutsamkeit der Beckenbodenmuskulatur nachzuvollziehen, ist ein Blick auf die Anatomie hilfreich.

 

Beckenboden

Der Beckenboden besteht aus drei Muskelschichten. Die unterste Muskelschicht schließt Blase und Anus. Die mittlere Schicht findet sich zwischen den Sitzbeinhöckern gespannt und schließt das vordere kleine Becken nach oben hin ab. Diese Muskulatur ist beim Verschluss der Blase wichtig. Die innerste Schicht, welche die größte Muskelmasse besitzt, ist überwiegend für die Statik und Dynamik zuständig. Sie stützt die inneren Organe und hat Verbindungen zum Rücken, zur Bauchmuskulatur und zu den Beinen.

Wenn man den Beckenboden betrachtet, ist er, wie jeder andere Muskel im Körper auch, trainierbar. Es gehört sicherlich einiges an Übung dazu, um den Beckenboden wahrnehmen zu können, aber mit Anleitungen, Tipps und Training zu Hause kann jeder ein Beckenbodentraining absolvieren.

Leider ist das Thema Beckenboden und Kontinenz in der heutigen Gesellschaft immer noch ein Tabu. Dieser Artikel soll darauf aufmerksam machen. Wir möchten, dass mehr Menschen sich trauen, offen über dieses Thema zu sprechen, damit Personen erreicht werden, die darunter leiden. Es ist ein Leiden, welches jeden treffen kann.

 

Wie genau schaut ein Beckenbodentraining aus?

Die Therapeuten führen zu Behandlungsbeginn ein Gespräch, indem sie sich ein genaues Bild über die vorkommenden Beschwerden machen. Es findet eine Anamnese statt, bei der die Symptome gezielt abgefragt werden, um somit eine individuelle Therapie zu gestalten. Es wird ein Fragebogen ausgegeben, welcher dem Therapeuten weitere Informationen zur Problematik gibt. Dieser Fragebogen soll Zuhause in einer ruhigen Situation – am besten allein – ausgefüllt und zur nächsten Therapie mitgebracht werden.
Im Anschluss startet die Behandlung, welche unterschiedliche Übungen zur Wahrnehmung und Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur beinhaltet. Der Therapeut gibt zudem Tipps zum alltäglichen Verhalten, wie beispielsweise die richtige Toilettenhaltung.

 

Die wichtigsten Punkte des Beckenbodentrainings zusammengefasst:

  • Körperwahrnehmung ist für eine erfolgreiche Behandlung der Grundstein und erfolgt je nach Klienten in den ersten Behandlungseinheiten.
  • Kraftübungen sind – wie bei anderen Muskeln unseres Körpers – für geschwächte Muskeln wichtig. Über das Training mit Anspannung und Entspannung werden hier die einzelnen Bereiche gezielt beübt.
  • Ziel der Therapie ist es das Beckenbodentraining in den Alltag zu integrieren.

Wie lange ein Beckenbodentraining absolviert werden sollte ist von Klient zu Klient unterschiedlich und wird individuell gehandhabt.

 

Bei welchen Beschwerden ist Beckenbodentherapie sinnvoll?

Sowohl bei Männern als auch Frauen:

  • Inkontinenzbeschwerden
  • Häufiger Harndrang ohne Urinverlust
  • Verkrampfter Beckenboden
  • Probleme bei der Darm- oder Blasenentleerung
  • Schmerzen im unteren Rücken
  • Schmerzen im Bauchbereich
  • Beschwerden im Sexualleben
  • Häufige Blasenentzündungen
  • Nach Unterleibsoperationen

Bei Frauen:

  • Beckenbodentraining nach Geburt, auch nach bspw. Geburtsverletzungen

Den Alltag besser meistern mit diesen Tipps:

  • Wenn Sie oft auf die Toilette müssen und dabei immer nur sehr wenig Urin in der Blase drin ist: Nehmen Sie sich 3 Dinge vor, die Sie tun, bevor Sie auf die Toilette gehen – mal sehen, vielleicht verschwindet der Harndrang dann ja schon wieder.
  • Wenn Sie unterwegs sind und die Blase drängt: Beugen Sie sich nach vorn und „binden Sie Ihre Schuhe“, durch diese Bewegung kann der Harn länger gehalten werden.
  • Drehen Sie sich beim Husten oder Niesen zu einer Seite hin weg. Dadurch senken Sie den Druck auf den Beckenboden.
  • Wenn Sie schwere Sachen heben müssen, dann tragen Sie diese nah am Körper und spannen Sie vorher Ihre Beckenbodenmuskulatur an.

Zusammengefasst kann man sagen, dass der Beckenboden im Alltag von jedem eine wichtige Funktion übernimmt und Beckenbodentraining nicht nur für Frauen wichtig ist.

Wichtig ist, dass das Thema nicht mehr totgeschwiegen wird, sondern mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt. Damit kann vielen Menschen geholfen werden, welche möglicherweise schon Jahre mit diesem Problem zu kämpfen haben, welches schon längst beseitigt hätte können.

 

 

Literatur:

Lang-Reeves, I. (2007). Beckenboden. Wie Sie den Alltag zum Training nutzen. München: Gräfe und Unzer Verlag.

Hüter-Becker, A.; Dölken, M. (Hrsg.). (2012). Physiotherapie in der Gynäkologie. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag.